Sie reisen als blinde Passagiere quer über Kontinente, um sich in fremden Lebensräumen auszubreiten. Sie wandern mit steigenden Temperaturen von Süden nach Norden oder werden weltweit illegal gehandelt. Das Leben vieler Tierarten beeinflussen wir Menschen, sei es durch Handel und Reisen, Veränderung der Lebensräume oder den menschengemachten Klimawandel. Eingeschleppte oder gezielt angesiedelte Arten torpedieren heimische Ökosysteme. Wir am LIB analysieren diesen Wandel der Biodiversität und liefern – wie hier beispielhaft beschrieben – Methoden und Entscheidungsgrundlagen für Schutzmaßnahmen.
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Vom blinden Passagier und ausgesetzten Zuchtfisch
Als blinder Passagier wanderte die Schwarzmundgrundel vermutlich im Brackwasser von Schiffen vom Schwarzen, Kaspischen, Asowschen Meer und deren Zuflüsse bis in die Ostsee ein.
Unser ehemaliger Hamburger Fischkurator, Prof. Dr. Ralf Thiel, wies sie erstmals vor Ort in der Elbe nach. Der anpassungsfähige Fisch vermehrt sich rasant und wird so für heimische Arten zum Konkurrenten um Raum und Nahrung. Invasive Fischarten verändern auch in tropischen Lebensräumen ganze Ökosysteme. Ein Forschungsteam aus unserem Haus untersucht die Ausbreitung eingeschleppter Fische in großen Seen Indonesiens: Der aggressive Flowerhorn-Buntbarsch ist ein Hybrid aus mehreren Arten, der als Zierfisch gezüchtet und in Seen wie dem Matano-See in Indonesien ausgesetzt wurde. Dort vermehrt er sich explosionsartig, frisst endemische Arten und bringt das Ökosystem des Sees aus dem Gleichgewicht. Ähnliche Konsequenzen konnten für Afrikanische Buntbarsche dokumentiert werden, die in dem nahe gelegenen Poso-See eingesetzt wurden und dort nun in Massen auftreten. Unsere Forschenden untersuchen die endemischen sowie die invasiven Arten und machen Veränderungen unter der Wasseroberfläche sichtbar. So sensibilisieren sie für Probleme, die aus dem vermeintlich harmlosen Freilassen gebietsfremder Fischarten entstehen können.
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Klimawandel begünstigt Ausbreitung exotischer Arten
Begünstigt durch den Klimawandel und milde Winter können sich hierzulande vermehrt wärmeliebende Arten etablieren. Seit 2005 breitet sich in Europa die aus Südostasien stammende Asiatische Hornisse über Frankreich bis nach Norddeutschland aus. Sie verdrängt und bedroht den Bestand heimischer Wespen und Bienen mit fatalen Folgen für unsere Lebensräume. So nehmen die Zahl der Bestäuber und die Diversität unserer Ökosysteme ab. Doch ist die Artendiversität von Ökosystemen vermutlich entscheidend für ihre Resilienz gegenüber sich ändernden Umweltbedingungen. Lebensraumschutz ist auch Artenschutz. Auch gebietsfremde Arten wie die Achatschnecke haben es offenbar leichter sich anzusiedeln, wenn wir die natürliche Lebensgrundlage heimischer Schnecken zerstören. Ein weiterer Grund für die starke Ausbreitung vieler in das Mittelmeergebiet eingeschleppter Schneckenarten, wie die Große Ostafrikanische Achatschnecke, ist neben der veränderten Landnutzung der Klimawandel. So ist die Große Ostafrikanische Achatschnecke inzwischen nicht nur in Asien, Nord- und Südamerika, sondern auch in küstennahen Mittelmeergebieten zu finden. Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten an Monitorings und an übergeordneten Studien zu Verbreitungsgebieten solch invasiver Arten mit.
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Der globale Wildtierhandel bedroht geschützte Arten
Der weltweite illegale Handel mit Wildtieren und Wildtierprodukten bedroht rund 6.000
geschützte Arten und ihre Populationen. Er ist zum viertgrößten Kerngeschäft der organisierten Kriminalität geworden. Betroffen sind Großtiere wie Nashörner und Elefanten in Afrika und Asien. Aber selbst heimische Reptilien und Singvögel wie der Stieglitz werden hierzulande gejagt und illegal gehandelt. Wir versuchen mit unserer Expertise dagegen zu halten: Mit der öffentlich zugänglichen Referenzdatenbank FOGS* bieten wir Behörden und Naturschutzverbänden eine Basis, konfisziertes Beweismaterial für strafrechtliche Ermittlungen zu identifizieren. Dank einer Vielzahl hinterlegter molekulargenetischer Marker ermöglicht die Datenbank eine schnelle und genaue Bestimmung von Arten, ihrer geografischen Herkunft und Zugehörigkeit zu Populationen. Neben diesem Werkzeug arbeiten wir eng mit dem Zoll und anderen Behörden zusammen und bilden die Mitarbeitenden im Erkennen gehandelter Tierprodukte aus.
Einfach gesprochen: Invasive Arten
Invasive Arten sind aus ihren ursprünglichen Verbreitungsgebieten oft durch menschlichen Einfluss in andere Lebensräume gewandert oder verschleppt worden – ob absichtlich oder unabsichtlich. Invasive Arten breiten sich aggressiv aus und verdrängen heimische Arten. So tragen sie zum Verlust der lokalen Biodiversität bei und schädigen intakte Ökosysteme.