Die Stimme der Besuchenden
Wer besucht eigentlich unsere Museen und warum? Und wie verändern sich die Erwartungen unserer Gäste in einer sich rasant entwickelnden Gesellschaft? Das sind Fragen, mit denen sich unsere Abteilung Besuchendenforschung seit 2021 am LIB befasst. Durch Analysen, Evaluationen und Befragungen untersucht sie das Verhalten unserer Besuchenden wissenschaftlich und zieht Rückschlüsse für die Angebote des LIBs. Ein Interview mit Inga Specht, Besuchenden- und Bildungsforschung, und Hae-Yon Weon-Kettenhofen, Bildung und Vermittlung.
LIB: Warum brauchen wir Besuchendenforschung?
Dr. Inga Specht: Wir wollen ein Haus sein, das sich an seinen Besuchenden orientiert. Unsere Forschung dient dazu, sich ihren Bedürfnissen, Perspektiven, Interessen, Erwartungen und Voraussetzungen zu öffnen und diese zu berücksichtigen. Damit versuchen wir, unsere Angebote kontinuierlich zu verbessern und unser Haus zukünftig noch besser an unserem Publikum auszurichten.
Hae-Yon Weon-Kettenhofen: Für mich als Leiterin von Bildungs- und Vermittlungsprogrammen ist es wichtig, eine Beziehung zu unseren Besuchenden aufzubauen. Und dafür ist es, wie in jeder normalen Beziehung auch, essentiell, den anderen kennenzulernen. Also, wer bist du? Mit welchen Voraussetzungen und Erwartungen kommst du zu uns? Was können wir tun, damit du dich bei uns wohlfühlst und tolle und für dich sinnvolle Lernerfahrungen machen kannst?
LIB: Beobachten Sie Veränderungen in den Bedürfnissen der Besuchenden?
H. Weon-Kettenhofen: In unserer Bildungsarbeit fällt uns auf, dass vor allem junge Menschen zunehmend weniger unmittelbare Naturerfahrungen sammeln, beziehungsweise sich mit Naturthemen auseinandersetzen. Ein Ausdruck dafür ist, dass sich immer weniger Menschen mit Tier- und Pflanzenarten auskennen. Zeitgleich steigt ihre Erfahrung in der digitalen Welt, was ihre Gewohnheiten und ihre Wahrnehmung beeinflusst. Trotz dieser Entwicklungen beobachten wir mit Freude, dass unsere Besucherinnen und Besucher von unseren Ausstellungsobjekten und naturgetreuen Landschaftsdarstellungen nach wie vor fasziniert sind und es spannend finden, mit echten, authentischen Objekten und Materialien in Berührung zu kommen.
Und ich nehme wahr, dass die Besuchenden eine höhere Erwartung an ihren Museumsbesuch haben. Sie kommen nicht mehr nur um zu lernen, sondern suchen nach einem Ort, an dem sie ihre Freizeit genießen können. Diese Entwicklung zu einem sozialen Ort für Lern- und Freizeiterlebnisse wird von immer mehr Museen erkannt, die ihr Angebot entsprechend anpassen, um den neuen Bedürfnissen ihrer Besuchenden gerecht zu werden.
I. Specht: Museen müssen sich wandeln. Denn die Entscheidung für einen Museumsbesuch ist gleichzeitig die Entscheidung gegen andere Möglichkeiten im Freizeitsektor. Und dazu ist es gut zu wissen, wieso die Menschen zu uns kommen, wer sie sind und was sie erwarten.
LIB: Welche digitalen Programme sind gerade in Arbeit?
I. Specht: Wir haben verschiedene digitale Angebote wie das digitale Escape Game “Project Pollination”*. Aktuell wird auch eine Bildungsplattform entwickelt. Das Spiel und die Plattform sind so angelegt, dass sie unabhängig von einem Museumsbesuch erreichbar sind. Bei unseren digitalen Angeboten denken wir die Verbindung zum Museum mit. Bald ist unser Audioguide auch downloadbar, so dass er auf dem eigenen Device genutzt werden kann. Da sich die verschiedenen Bereiche vermischen und die Grenzen fließend sind, gibt es ein breites Spektrum von analog bis digital und dazwischen mäandern verschiedene Angebote. Dies wird sich auch in Zukunft weiter entwickeln, insbesondere, weil sich durch Techniken wie Virtual und Augmented Reality die Optionen auch erweitern.
H. Weon-Kettenhofen: Ich glaube, dass wir als Museum noch mutiger sein müssen, was Digitalität betrifft. Die digitale Welt ist eine ganz eigene Welt, die besondere Eigenschaften mit sich bringt.
LIB: Neben diesen digitalen Maßnahmen arbeiten Sie auch an ganz konkreten analogen Erfahrungen außerhalb des Museums.
H. Weon-Kettenhofen: Mit unserem Museumsbus “Museum Koenig mobil”* möchten wir Menschen erreichen, die nicht zu uns ins Museum kommen oder kommen können. Wir beabsichtigen, Schulen und Kindergärten zu besuchen, aber auch an öffentlichen Orten präsent zu sein. Um möglichst vielen Menschen den Zugang zu ermöglichen, haben wir darauf geachtet, den Bus und die Programme möglichst barrierearm zu gestalten. Der Bus enthält kleine Vitrinen mit Exponaten heimischer Arten und verfügt über Medienstationen, an denen Filme gezeigt, Tonaufnahmen von Tierstimmen abgespielt oder kleine Minigames gespielt werden können. Darüber hinaus führen wir Materialien mit, um Tiere zu beobachten und zwei Mikroskopie-Arbeitsplätze, an denen wir Funde genauer untersuchen können. Auf diese Weise bringen wir das Museum zu den Menschen und laden sie ein, die (Stadt-)Natur zu entdecken und zu erleben.
LIB: Wie werden die Werte Inklusion und Diversität in den Ausstellungen integriert?
I. Specht: Die Themen Inklusion und Diversität sind Querschnittsthemen, die für alle Bereiche unseres Museums von Bedeutung sind. Wir arbeiten an einer strategischen Planung, die diese Werte in unserer Institution verankern soll. Das betrifft auch unser internes Kollegium. Wir müssen auch unsere Mitarbeitenden für interkulturelle Kompetenz schulen und lernen, wie wir die Diversität der Gesellschaft besser abbilden können. Uns ist es wichtig, dass wir uns öffnen, um auch in Zukunft für die Gesellschaft relevant zu sein und einen Ort zu schaffen, der Menschen mit Freude und Sinn erfüllt.
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Dr. Inga Specht (l.) Leiterin Besuchenden- und Bildungsforschung, Hae-Yon Weon-Kettenhofen (r.) Leiterin Bildung und Vermittlung.