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Artenparadies im Steinbruch?

Unser Bedarf an Rohstoffen steigt stetig. Der Abbau von Kies, Sand, Ton und Gips hat vielschichtige und oft irreparable Folgen auf die Ökosysteme vor Ort. Doch was ist die Lösung? Baustopp? Im Projekt GiBBS* denken wir Ökonomie und Ökologie zusammen. Kann womöglich im Gipssteinbruch ein Artenparadies entstehen?

Um die Biodiversität in Abbaugebieten langfristig zu fördern, kommen Forschende, Unternehmen, Branchen- und Naturschutzverbände sowie Naturschutzbehörden an einen Tisch. Die unterschiedlichen Akteure treffen sich in einem moderierten Branchendialog, diskutieren, wägen ab, entscheiden.

Dabei geht es nicht darum, zu diskutieren, ob der Abbau von Rohstoffen in Deutschland grundsätzlich gestoppt werden sollte oder nicht. Sondern darum, die existierenden Abbaugebiete umweltfreundlicher zu gestalten und vor allem zu überlegen, wie wir in diesen Gebieten während des Abbaus und darüber hinaus wieder artenreiche Lebensräume schaffen können. Abbaustätten können auch ökologische Nischen und damit Lebensraum für spezialisierte Arten sein und bieten auch schon während des Rohstoffabbaus eine Grundlage für die Biodiversität.

Wir im LIB untersuchen als Projektpartner in Abbaugebieten die Biodiversität. Naturschutzökologin Dr. Vera Zizka sammelte und dokumentierte für das LIB in insgesamt zwölf verschiedenen Kies-, Sand-, Quarzsand-, Kalkstein- und Gips-Abbaustätten unterschiedliche Artengruppen wie Amphibien, Reptilien, Libellen, Tagfalter oder Fluginsekten – sowie Teile der Vegetation. Für ihr Monitoring arbeitet sie mit Forschenden der Universität Münster sowie mit rund 60 Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern zusammen, die der NABU koordiniert.

Auf einem Gipssteinbruch im hessischen Oberellenbach ging Vera Zizka ihrer Routine nach: Über das gesamte Gelände waren von Mai bis September 2023 Insektenfallen positioniert, die sie nach und nach ablief. An Wasserstellen schaute sie unter ausgelegte Wellbleche, die Reptilien wie Blindschleichen Schutz bieten – alle Funde werden für das Projekt genau erfasst und später ausgewertet. Zudem zeichnete sie auch Töne auf, um etwa Vogel- oder Amphibienarten zu bestimmen und diese Methode der nichtinvasiven Biodiversitätserfassung weiterzuentwickeln. „Durch den Einsatz konventioneller und innovativer Erfassungsmethoden wollen wir einen Überblick über die Biodiversität in Abbaustätten erhalten. Ein besonderer Fokus liegt dabei auch auf Organismengruppen, über die in diesen Habitaten noch weniger bekannt ist, wie zum Beispiel Hautflügler und Zweiflügler. Hierfür nutzen wir molekulare Erfassungsmethoden. Zusätzlich erforschen wir, wie sich Biodiversitätsmuster fortlaufend verändern und wie ein bestimmtes Flächenmanagement Artenvielfalt fördern kann“, sagt Vera Zizka.

Bei ihrer Arbeit dort wurde sie unter anderem von Annika Kruse begleitet – sie ist als Biologin und Biodiversitymanagerin bei Saint-Gobain Rigips angestellt. Für das Unternehmen identifiziert sie in den Abbaugebieten Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der Artenvielfalt führen. Die Teilnahme an GiBBS und die freiwillige Kontrolle der eigenen Gebiete sind eine Eigeninitiative des Branchenvertreters.

Derzeit gibt es keine rechtlichen Vorgaben, die Betriebe dazu verpflichten, im aktiven Abbau gezielte Artenschutzmaßnahmen durchzuführen.

„Ganz im Gegenteil könnte der Fund einer seltenen Art sogar zur Folge haben, dass der Betrieb eingeschränkt oder sogar aufgegeben werden muss. Ein Grund für einige Unternehmen, ganz auf die Schaffung potenzieller Lebensräume wie Gewässer zu verzichten oder diese sogar zuzuschütten, um das Ansiedeln einer seltenen Art zu verhindern”, resümiert Annika Kruse.

Ein Bagger steht im Steinbruch
Der Bagger steht still - doch auch im Betrieb, kann ein Abbaugebiet für spezialisierte Arten eine Lebensgrundlage bieten.
Dr. Vera Zizka mit einer Insektenfalle
Dr. Vera Zizka überprüft eine der aufgestellten Insektenfallen auf dem Gips-Abbaugebiet in Oberellenbach.
Ein Bagger steht im Steinbruch
Der Bagger steht still - doch auch im Betrieb, kann ein Abbaugebiet für spezialisierte Arten eine Lebensgrundlage bieten.
Dr. Vera Zizka mit einer Insektenfalle
Dr. Vera Zizka überprüft eine der aufgestellten Insektenfallen auf dem Gips-Abbaugebiet in Oberellenbach.

So paradox das klingen mag: Aber indem Unternehmen der Ansiedlung geschützter Arten vorbeugen, erfüllen sie am einfachsten rechtliche Vorgaben. Denn niemand kann im aktiven Abbaugebiet ausschließen, dass geschützte Tierarten nicht gestört oder unbeabsichtigt getötet werden.

„Dieser Verhinderungspflege wollen wir vorbeugen“, sagt Anneli Heinrich vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), die Leiterin von GiBBS. Während die Daten aus den Monitorings in den Abbaugebieten aktuell noch ausgewertet werden, führte das IÖW im Jahr 2023 eine Fallstudie mit den an GiBBS beteiligten Unternehmen durch und entwickelt aus den Erkenntnissen ein Konzept für ein einheitliches Biodiversitätsmanagement. Ein positiver Aspekt des Abbaus in Deutschland sei zudem, dass wir den Rohstoff lokal beziehen und nun aktiv mit der Branche den Rohstoffabbau hierzulande insgesamt umweltfreundlicher gestalten könnten.

Bis Ende Oktober 2024 läuft das Projekt noch weiter. Es soll den Unternehmen Werkzeuge in Form von beispielsweise einem systematischen Monitoringkonzept und einem Handlungsleitfaden für die Umsetzung eines Biodiversitätsmanagements an die Hand geben. Damit erhalten sie eine Basis, um die Artenvielfalt auf den Abbaustätten in Deutschland systematisch einheitlich und möglichst ganzheitlich zu erfassen und zu fördern. Schließlich soll auch die Politik durch die Ergebnisse der Studie zu Erkenntnissen kommen, die in künftige Gesetzgebungen einfließen könnten.

Einfach gesprochen: Gipsverbrauch 

Etwa zehn Millionen Tonnen Gips verbrauchen wir alleine in Deutschland im Jahr – davon werden 40 Prozent von Naturgips gedeckt. Die übrigen 60 Prozent deckt derzeit noch REA-Gips, ein Nebenprodukt aus der Kohlestromversorgung. 

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