Zum Inhalt springen

Was kostet die Natur?

Die Natur liefert uns Nahrung und Rohstoffe. Sie reguliert das Klima und lässt den Stoffkreislauf schnurren, inklusive Abfallverwertung. Sie schenkt uns Erholungsraum und Unterhaltung – und das alles scheinbar umsonst. Doch unsere Wertschöpfung bedeutet unter dem Strich eine Übernutzung und Zerstörung der Natur. Wie können wir die Leistungen des Ökosystems bepreisen und das Handlungswissen der Naturkundemuseen dafür nutzen? Ein Interview mit dem Ökonomen Henry Sauermann:

LIB: Wie können wir Biodiversität bepreisen?

Prof. Dr. Henry Sauermann: Biodiversität ist zweifellos ein wertvolles Gut, das über ökonomische Kategorien hinausgeht. Dennoch ist es wichtig, ihren Wert in wirtschaftlichen Begriffen zu erfassen, um ihren Erhalt zu sichern. Denn Preise sind in einer marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft ein wichtiges Signal, um Angebot und Nachfrage an knappen Gütern zu steuern. Eine Möglichkeit besteht darin, einen Biodiversitäts-Fußabdruck zu entwickeln, der die ökologischen Auswirkungen von Produkten und Dienstleistungen quantifiziert. Dieser Fußabdruck könnte als Indikator dienen, um Umweltkosten in wirtschaftliche Entscheidungen von Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbrauchern einzubeziehen. Ein Preis für Natur kann so bei nachhaltigen Entscheidungen helfen. Allerdings steckt die genaue Berechnung dessen noch in den Anfängen. Wir benötigen dafür noch weitere interdisziplinäre Zusammenarbeit von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, um diese Konzepte zu verfeinern und in die Praxis umzusetzen.

LIB: Wie fördern wir natur-positives Handeln der Unternehmen?

H. Sauermann: Das ist ein komplexer Prozess, der Transparenz und Informationen erfordert. Im Idealfall müssten wir konkrete Handlungsoptionen für die unterschiedlichen wirtschaftlichen Sektoren aufzeigen, mit denen der Biodiversitätsabdruck verbessert werden kann. Wir müssen Nachhaltigkeit, die ich als dauerhaften Ausgleich zwischen ökonomischer, ökologischer und sozialer Leistung verstehe, als integralen Bestandteil der Geschäftsstrategie etablieren. Unternehmen sollten nicht nur Umweltschutz betreiben, weil dies von anderen erwartet wird. Eine nachhaltige Strategie kann im Idealfall auch neue Marktpotentiale eröffnen und den Unternehmenswert steigern.

LIB: Wie können Subventionen umweltfreundliche Praktiken unterstützen?

H. Sauermann: Subventionen sind effektive, aber auch komplizierte Werkzeuge, um den Wandel zu umweltfreundlichen Praktiken zu lenken und zu beschleunigen. Dafür ist es wichtig, dass Subventionen an klare Umweltauflagen gebunden und so stabil vorhanden sind, dass die Unternehmen mit langfristigen Planungen darauf reagieren können. Finanzielle Unterstützung für Unternehmen sollte mit der Verpflichtung einhergehen, umweltfreundliche Innovationen zu fördern und nachhaltige Veränderungen anzustreben. Dies kann beispielsweise durch steuerliche Anreize für umweltfreundliche Investitionen oder durch Förderprogramme für Forschung und Entwicklung von nachhaltigen Technologien geschehen. Allerdings können politisch verankerte Subventionen auch missbraucht werden oder sich zu langsam an veränderte wirtschaftliche oder technologische Gegebenheiten anpassen. Insofern ist es oft besser, wenn Anreize zum Schutz der Biodiversität aus dem Markt heraus entstehen.

LIB: Welche Rolle spielt die Zivilgesellschaft?

H. Sauermann: Die Rolle der Bürgerinnen und Bürger in der Förderung nachhaltiger Praktiken sollte nicht unterschätzt werden. Zuallererst können sie durch ihre Kaufentscheidungen Unternehmen dazu anspornen, umweltfreundliche Produkte anzubieten. Aber sie können auch über ihre Rolle als Konsumentinnen und Konsumenten hinaus aktiv werden. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich an sogenannten Citizen Science-Projekten. Das sind wissenschaftliche Vorhaben, bei denen Teilnehmende ohne formelle Bindung an wissenschaftliche Institutionen involviert sind. Das wiederum trägt zu einer breiteren Datensammlung und einem besseren Verständnis der Umweltauswirkungen bei. Auf Grundlage solcher Daten können hoffentlich auch bessere Messwerte für den Biodiversitäts-Fußabdruck entwickelt werden, was wiederum bei der Entwicklung von Anreizsystemen, Subventionen oder Umweltauflagen hilfreich sein wird. Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger in Citizen Science-Projekten steigert außerdem oft das Umweltbewusstsein der Teilnehmenden, oder kann ihnen helfen, kreative Möglichkeiten für Verbesserungen in ihrem lokalen Umfeld zu entdecken.

LIB: Welche Rolle könnten Naturkundemuseen übernehmen?

H. Sauermann: Naturkundemuseen haben ein enormes Potenzial, sich in Bildungszentren für Nachhaltigkeit zu verwandeln. Sie können nicht nur Wissen über die Natur vermitteln, sondern auch das Bewusstsein für Umweltfragen schärfen. Durch die Präsentation aber auch die gemeinschaftliche Erarbeitung von Innovationen und Forschungsergebnissen können sie eine Brücke zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und der breiten Öffentlichkeit schlagen. Museen können dazu beitragen, Menschen für die Bedeutung von Biodiversität und Umweltschutz zu sensibilisieren und sie dazu inspirieren, aktiv an Maßnahmen für den Naturerhalt teilzunehmen. Und in vielen Städten fungieren Naturkundemuseen als Knotenpunkt für Citizen Science-Aktivitäten, was einmal mehr ihre wichtige Rolle an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft hervorhebt.

LIB: Was wünschen Sie sich für das LIB?

H. Sauermann: Das LIB ist mit seinen vielfältigen musealen und gesellschaftlichen Aktivitäten ein Ort, der Menschen dazu anregt, aktiv an Naturerhalt und Nachhaltigkeit mitzuwirken. Ich habe als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats auch direkt sehen können, wie viel erstklassige Forschung hier betrieben wird. Das LIB ist damit ideal positioniert, um zu einer dynamischen Plattform für Wissensaustausch, innovative Ideen und konkrete Maßnahmen zu werden. Damit kann das LIB einen nachhaltigen Wandel vorantreiben und einen positiven Beitrag für Natur, Wirtschaft, und Gesellschaft leisten.

 

„Ein Preis für Natur kann sowohl Unternehmen als auch Verbraucherinnen und Verbraucher bei nachhaltigen Entscheidungen helfen.“ 

Prof. Dr. Henry Sauermann 

Joshua Miller lächelt in die Kamera

 

Prof. Dr. Henry Sauermann forscht und lehrt in den Disziplinen Unternehmertum und Citizen Science an der European School of Management and Technology (ESMT) Berlin. Als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des LIBs bereichert er die Diskussionen über die wirtschaftliche Perspektive und die Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern über Citizen Science-Projekte. 

Datenschutz­einstellungen
Diese Seite nutzt Cookies und Elemente Dritter, um Ihnen bestimmte Funktionen und ein optimales Webseiten-Erlebnis zu bieten. Dazu zählen Cookies, die für den Betrieb der Seite unbedingt notwendig sind, Cookies zur anonymen statistischen Analyse/Messung sowie die Einbettung von externen Diensten, deren Verwendung Sie vor der Nutzung zustimmen müssen. Weitere Informationen finden Sie unten bei den Hinweisen zu den einzelnen Funktionen sowie ausführlich in unseren Datenschutzhinweisen.
Diese Cookies sind notwendig, um die Basisfunktionen unserer Webseiten zu ermöglichen.
Diese Einwilligung erlaubt es Ihnen externe Inhalte (via IFrame) anzusehen.
Diese Einwilligung erlaubt es Ihnen eingebettete Videos anzusehen.
Seitenaufrufe werden zu anonymen statistischen Zwecken mit Matomo erfasst, um unsere Website stetig zu optimieren. Die IP-Adresse des Besuchers wird anonymisiert.
Marketing-Cookies von Google/Meta werden verwendet, um personalisierte Werbung anzuzeigen. Dies geschieht durch die Verfolgung der Besucher über Websites hinweg.
Einstellungen gespeichert